Was haben wir in den letzten Jahrzehnten in Deutschland nicht alles getan, um unsere „Erinnerungskultur“ zu pflegen und auszubauen. Das Grauen der nationalsozialistischen Verbrechen, die Untaten des „Dritten Reiches“ sollten unauslöschlich in den Köpfen der Bundesbürger verankert werden. Jeder Jahrestag, jeder auch noch so kleine „Erinnerungsort“ wurde breit rezipiert, nicht nur in den Historischen Seminaren, sondern flächendeckend im politischen und medialen Raum. – Um so verwunderlicher ist es, dass ausgerechnet das mediale Nachrichtengewitter, das uns aktuell aus den alten Kampfzonen des europäischen Ostens erreicht, so gut wie keinerlei nennenswerten Widerhall im heimischen Erinnerungsdiskurs findet. Alles, was wir von den landläufig bekannten Medien hören, wirkt rein gegenwartsbezogen, losgelöst von historischen Bezügen, gelegentlich noch das Jahr 2014 (Krim-Annexion) bemühend, aber jede tiefere geschichtliche Reflexion peinlich vermeidend. „Deutsche Panzer vor Kursk“ weiterlesen
Autor: Ralf Langejürgen
Europa hat die Wahl
„Unser Europa kann sterben, wenn wir die falschen Entscheidungen treffen!“ – mit dieser Wendung sorgte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron anlässlich seines jüngsten Staatsbesuchs in Deutschland für erhebliche Aufmerksamkeit. Historische Bezüge geschickt nutzend, gerierte sich Macron in seiner „Rede an die europäische Jugend“ am 28. Mai auf dem Dresdner Neumarkt als „Retter Europas“ und überstrahlte seinen wie immer hanseatisch-kühl wirkenden Gastgeber Olaf Scholz nicht nur rhetorisch um Längen. – Ein Kontinent, der zu sterben droht und ein Präsident, der ganz nach französisch-etatistischer Manier kontinentale „Rettung“ anbietet? Eine merkwürdige Formel, die beinahe bonapartistische Züge trägt und im Europawahljahr 2024 so gar nicht zu dem Anspruch auf ein demokratisch verfasstes Europa von unten passt. „Europa hat die Wahl“ weiterlesen
Wendepunkte
Im Auf und Ab historischer Konjunkturen, signifikante Wendepunkte zu lokalisieren, ist alles andere als einfach. Gemeint sind hier nicht die großen Epochenbrüche der Jahre 1492, 1517 oder 1648, die großen weltgeschichtlichen Zäsuren der Jahre 1789, 1914, 1945 oder zuletzt 1989. Gemeint sind die etwas weniger markanten Wendemarken, die einzelne Staaten, ihre Gesellschaften oder deren Volkswirtschaften aus der gewohnten Bahn werfen bzw. auf eine andere Fahrspur lenken. Die meisten Wendepunkte dieser Art sind fremdgetrieben oder durch äußere Einflüsse verursacht. Eher die Ausnahme sind Umbruchprozesse, die explizit hausgemacht sind und nur noch lose mit überregionalen oder gar globalen Veränderungsprozessen in Verbindung stehen. Umbruchprozesse, die sich sozusagen verselbständigt haben und eine oftmals nur noch schwer kontrollierbare Eigendynamik gewinnen.
Über Frieden reden
Kürzlich, Mitte August diesen Jahres, mitten im bayerischen Landtagswahlkampf, hielt Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Münchener Marienplatz eine Wahlkampfrede. Obwohl es eigentlich um Themen der Landespolitik gehen sollte, fühlte sich der Kanzler durch lautstarke Zwischenrufe von „Friedensaktivisten“ unterschiedlicher Couleur dermaßen provoziert, dass er dazu überging, seine Ukrainepolitik mindestens ebenso lautstark zu verteidigen. „Die Leute, die hier mit Friedenstauben herumlaufen“, so Scholz, seien „gefallene Engel, die aus der Hölle kommen.“ Sie würden durch ihre überzogenen Friedensappelle „einem Kriegstreiber das Wort reden“ und sich durch ihre Friedensrhetorik ins Abseits manövrieren. „Über Frieden reden“ weiterlesen
Nach hinten durchgereicht
Wir kennen das aus der Leichtathletik – besser noch vom Langstreckenlauf. Der Pulk der Favoriten setzt sich gleich nach dem Start an die Spitze des Feldes und gibt die Geschwindigkeit vor. In den oft heftigen Positionskämpfen wechseln sich die Spitzenläufer in der Führungsarbeit ab. Schließlich wird das Tempo dermaßen verschärft, dass einige Läufer einfach nicht mehr mithalten können. Schwere Beine, kurzer Atem und verlorener Rhythmus. Der Kontakt zur Spitzengruppe reißt ab und der/die Läufer werden nach hinten durchgereicht. „Nach hinten durchgereicht“ weiterlesen
Rote Linien
Außenpolitik und Diplomatie sind sensible Felder. Es gibt nur wenige Bereiche zwischenmenschlicher Kommunikation, in denen Worte so behutsam gewählt, so penibel abgewogen werden, wie auf dem Felde der zwischenstaatlichen Diplomatie. Dennoch gibt es auch hier den harten Anschlag, das schwere verbale Geschütz, das Schmerzgrenzen markieren und Grenzen setzen soll. Zu diesem besonderen Vokabular gehört zweifellos die „rote Linie“, die von Außenpolitikern und Diplomaten vor allem dort gesetzt wird, wo es brenzlig wird, wo es gilt, der Gegenseite Haltelinien oder Grenzmarkierungen aufzuzeigen. Besonders brisant wird das wechselseitige „Bis-hierher-und-nicht-weiter“ in Zeiten des Krieges, wo sich regelhaft zwei rote Linien aufeinander zubewegen und wo verbale Eskalation fast immer in unmittelbar reale Eskalation mündet. „Rote Linien“ weiterlesen
Preisgalopp – Wenn´s unbezahlbar wird
Niemand wird behaupten können, dass es sie nicht gegeben hätte: die Mahner, die kritischen Auguren auf dem Felde der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es gab sie durchaus, die Stimmen an der Peripherie des medialen Mainstreams, die das Zuviel in der Geldpolitik, das Zu-Einseitig in der Energiepolitik und das Zu-Optimistisch in der Außen- und Sicherheitspolitik kritisiert haben. Nur hören, wollte man sie nicht. Jetzt, wo der Kahn auf Grund zu laufen droht und sich ein Großteil der Vorhersagen zu bewahrheiten scheint, will es – wie so oft in solchen Situationen – keiner so recht gewesen sein. „Preisgalopp – Wenn´s unbezahlbar wird“ weiterlesen
Sieg oder Niederlage
Geschichtsbücher – und zwar nicht nur die alten Folianten früherer Tage, sondern auch fast alle modernen Monographien – rekapitulieren Siegergeschichte. Die Verlierer kommen in den historischen Abhandlungen in der Regel nur als unterworfene Antipoden bzw. als Negativfolien einer siegerzentrierten Fortschrittsgeschichte vor. Im besonderen Maße gilt das für Kriegs-und Nachkriegszeiten, wo im Windschatten der Schlachten und im Angesicht der Zerstörungen auch auf dem Felde der Medien und der politischen Rhetorik Kriegszustand herrscht. „Sieg oder Niederlage“ weiterlesen
Fahren auf Verschleiß
In diesen Tagen ist viel von „Mobilitätswende“ die Rede. Ein Begriff aus dem Subtext der noch viel mächtigeren Energiewende. CO2-lastige Verkehrsträger sollen zugunsten CO2-armer Mobilität zurückgedrängt werden. Klimaschonend soll sie sein, die neue Mobilität. Muskelkraft statt SUV. Bahn statt Auto. Balkonesien statt Malle. Und wenn schon Bewegung im öffentlichen Raum, dann bitte nur mit möglichst kleinem Fußabdruck und auf möglichst leisen Sohlen. „Fahren auf Verschleiß“ weiterlesen
Mit dem Mangel wirtschaften
Angefangen hat alles mit fehlenden Handybauteilen, fehlenden Baumaterialien und akuten Lücken in der Automobillogistik. Lieferkettenprobleme hieß es landauf und landab. Corona hat die globalen Logistikketten durcheinander gewirbelt. Die Container stauen sich vor den Zero-Covid-geplagten Hafenterminals an Chinas Küsten. Und wenn das alles nicht schon genug wäre: Nun geht uns auch noch das Erdgas aus. Und nun warnt der Bundeswirtschaftsminister sogar vielsagend vor „politischen Albtraumszenarien“. „Mit dem Mangel wirtschaften“ weiterlesen